Jetzt ist mein letzter Blogeintrag entgegen meiner Vorsätze schon eine Woche her.
Aber ich war unterwegs und es ist einfach so viel anderes zu tun. Die Realität holt mich ein…
Noch dazu wird es immer schwerer, jeden Tag ein interessantes Thema zu finden…
Ich werde aber trotzdem weiterhin mindestens einmal die Woche meinen Beitrag an der fortschreitenden Datenvermüllung im Internet leisten!
Gestern Abend wurde zwei Häuser weiter Sperrmüll nach draußen gestellt, ganz oben auf dem Haufen thronte eine grüne Stoffmaus.
Diese Maus hatte etwas Faszinierendes durch ihre Absurdität. Man fragt sich, wem sie gehört hat, was sie „erlebt“ hat oder auch, wer sich überhaupt hat einfallen lassen, so ein Stofftier zu kreieren.
Während die Maus heute Morgen abtransportiert wurde, schaute eine Katze durchs Fenster zu:
Generell ist Sperrmüll für mich etwas Besonderes.
Es ist interessant, wie Straßen sich durch ihn verändern. Die heraus gestellten Möbel können, wenn sie gut erhalten, die Straße zum Beispiel in eine Art öffentliches Wohnzimmer verwandeln, das dazu einlädt, sich zwischendurch einfach mal hinzusetzen.
Auch das Stöbern macht Spaß. Als Kind habe ich, wenn in Stammheim der zentrale Sperrmüll war, immer alle möglichen Sachen nach Hause geschleppt, was meiner Mutter natürlich nicht gefiel. Leider wurde dieser zentrale Sperrmüll dann abgeschafft. Anscheinend gab es mit der Zeit zu viele konkurrierende Banden, die um die guten Stücke kämpften. Man sah tatsächlich einige Lieferwägen mehr in den Straßen als sonst.
Als ich in Frankfurt und Offenbach gewohnt habe, stammte ein großer Teil meiner Einrichtung aus dem Sperrmüll. Das waren paradiesische Zustände, es stand immer an irgendeiner Ecke etwas herum. Das vermisse ich in Hamburg.
Für meinen Film „Irrläufer“ haben wir auch einen Tag in Fulda gedreht, weil dort noch zentraler Sperrmüll stattfand.
Ganze Straßen voll Gerümpel erzeugen eine gewisse Unübersichtlichkeit, eine Unordnung, die ich als angenehm empfinde. Leute laufen mit gefundenen alten Sachen herum, und man kann ein bisschen vergessen, in was für einer modernen, technisch hoch entwickelten Welt wir leben.
Natürlich entsteht auch eine Atmosphäre von Verwahrlosung, wenn Sperrmüll herumsteht (besonders in Offenbach…). Denn es ist ja tatsächlich Müll, auch wenn ein paar Sachen meistens noch halbwegs gut erhalten sind. Aber genau dieser seltsame Zustand aus Chaos und Verfall beruhigt mich, ich mag diese Schäbigkeit. Wenn es noch dazu regnet, verwittert das Material, das Holz verbiegt sich, Bezüge verfärben sich. Endlich ist alles mal nicht aufpoliert, steril oder ordentlich, so dass man sich selbst getrost auch mal gehen lassen kann.
Im Angesicht eines Sperrmüllhaufens wird man sich auch der Vergänglichkeit von allem bewusst. Er zeigt, dass alles einmal zu Ende geht, dass die Zeit ihre Spuren hinterlässt und dass der Verfall zum Leben gehört.
Das mag für manche deprimierend sein, für mich ist es das nicht, ich empfinde es eher als menschlich.
Der Prozess der Abnutzung und der langsamen Auflösung ist normal und zeigt, dass Dinge eine Geschichte haben, dass sie benutzt und gebraucht wurden, dass sie zum Leben gehört haben, auch wenn sie jetzt traurig und verlassen auf der Straße stehen.
Auch was man lange gehegt und gepflegt hat, kann nicht ewig existieren, und so muss eben auch mal ein Lieblingssessel auf die Straße. Das ist eine Form des Loslassens, ein Sinnbild für den permanenten Wandel, für das Widerspiel zwischen alt und neu, und dafür, dass das Leben immer im Fluss ist.
Manchmal versinnbildlicht der Sperrmüllhaufen ein ganzes Leben, wenn man erkennt, dass es sich um eine Hauhaltsauflösung eines vermutlich alten und verstorbenen Menschen handelt.
Es ist natürlich traurig zu sehen, was greifbar, als „Materie“, von einem Leben zurückbleibt. Und dass diese Sachen dann auch zum großen Teil einfach so weg geworfen werden.
Aber man kann leider nicht jede Zuneigung weitervererben, zu diesem Sofa oder auch zu jedem alten Buch, das, obwohl es alt ist, für Antiquare keinen Wert hat. Letztendlich ist es wahrscheinlich auch wichtiger, dass man zu Lebzeiten eine Welt aus Alltagsgegenständen um sich herum hatte, mit denen man sich wohl gefühlt hat und zu denen man seinen persönlichen Bezug hatte, als dass diese Dinge einen überdauern.
Wenn ich einen solchen Sperrmüllhaufen sehe, denke ich trotzdem ein wenig betrübt an das Schicksal der Person, der das alles gehört hat, und manchmal nehme ich auch ein Buch oder etwas mit, bei dem ich denke, dass es etwas Besonderes war. Aber ich bin auch froh darüber, daran erinnert zu werden, dass nichts für immer ist, dass alles seine Zeit hat und eines Tages vorbei sein wird, und man sich darum daran freuen muss, solange es da ist.