Sofort lieferbar? Erwachsen? Reif? Spam als Anstoß zum Hinterfragen (Teil 2)

Gestern habe ich mir ein paar Gedanken über den Betreff  einer Mail aus dem Spam-Ordner gemacht („Sie sind arbeitslos?“).

Heute hat mich deren Inhalt zu weiterem Nachdenken über wichtige Fragen des Lebens geführt, und zwar in einer derart ausschweifenden Weise, die man nicht erwarten würde, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet Spam mich dazu verleitet hat!!!

So ist mir die eigentliche Gefahr von Spam bewusst geworden. Er regt zu sehr zum Nachdenken an und lenkt die Leute vom Arbeiten ab! Wie gut, dass der meiste Spam sofort im Papierkorb landet, sonst käme promt die nächste Wirtschaftskrise!

Aber nun zurück zum Thema:

Das Stellenangebot in der Mail mit dem Betreff „Sie sind arbeitslos?“ lautete:

Die Vakanz,
Ein internationaler Betreiber und Händler von Bergbau.
Wir suchen für die Helfer für den Zoll-Manager in der gesamten Europäischen Union.
Wir bieten einen Arbeitsvertrag.
Training durch die Gesellschaft.
Hohe Gehälter und Provisionen.
Sie müssen erwachsen sein, den Aufenthalt in der gesamten Europäischen Union, sofort lieferbar, keine Erfahrung erforderlich, Unterlagen müssen in Ordnung sein.

Für weiter Informationen mussen Sie kontaktieren und senden Ihre CV an
info@deutschland-arbeit.com

Dieses Angebot lässt einen mehrfach schmunzeln:

„Training durch die Gesellschaft“:

Natürlich ist damit der Betrieb gemeint, aber wie würde wohl ein Training durch die Gesellschaft, in der wir tagtäglich leben, aussehen?

Bzw. trainieren wir nicht ohnehin jeden Tag, indem wir in dieser Gesellschaft leben und unser Glück zu machen versuchen?

Dann „Sofort lieferbar“:

Ein schönes Sinnbild für das Gefühl, dass Arbeitskräfte heutzutage zu einer Art Ware geworden sind. Es wird um sie gefeilscht, man kann sie aber auch problemlos ersetzen, wenn sie nicht mehr richtig funktionieren.

Besonders bemerkenswert finde ich allerdings die Anforderung

„Sie müssen erwachsen sein“

Denn ist es nicht schwer, ein klares Kriterium dafür zu finden, wann und warum jemand erwachsen ist? Was ist die genaue Definition dafür? Und kann man das vielleicht testen?

Im Duden findet sich die Beschreibung: dem Jugendalter entwachsen; volljährig

Aber ganz so einfach, dass man mit 18 Jahren eben plötzlich erwachsen ist, scheint es dann doch nicht zu sein.

So taucht z.B. bei gutefrage.net auf: „Was ist das eigentlich: Erwachsen sein?“

Auch in Psychologieforen ist das Thema sehr beliebt. Die Meinungen dazu sind vielfältig, ebenso darüber, ob Erwachsensein positiv oder negativ ist.

woxikon.de schreibt:

Ein Erwachsener ist ein Mensch, der ein bestimmtes Alter überschritten hat und somit nicht mehr als Kind oder Jugendlicher gilt. Er oder sie hat das Stadium der körperlichen und geistigen Reife erreicht.

Wikipedia schwächt dies ein wenig ab:

Ein Erwachsener bzw. eine Erwachsene ist ein Mensch, der ein bestimmtes Alter überschritten hat und bei dem man deshalb davon ausgeht, dass er die volle körperliche und kognitive Reife besitzt.

Diese Einschränkung von Wikipedia weist darauf hin, dass nicht jeder, der aufgrund seines Alters als erwachsen gelten kann, sich auch besonders erwachsen benehmen muss.

„Werd‘ endlich erwachsen!“ können sich also auch 80-Jährige im Streit an den Kopf werfen.

Die vollständige „Reife“ erreicht zu haben ist aber wohl ein grundsätzliches Element des Erwachsenseins. Auch im Duden finden sich neben den Synonymen „ausgewachsen, mündig, selbstständig, vernünftig, volljährig“ auch die Begriffe „voll entwickelt“ und „reif“.

Nur führt das auch nicht gerade zu eindeutigen Kriterien. Denn was macht nun wiederum einen reifen, voll entwickelten Menschen aus?

Ist z.B. das Abitur, auch „Reifeprüfung“ genannt, wirklich das Zeugnis einer bestimmten Reife? Hat Reife also vor allem mit einem gewissen Bildungsgrad, mit einem bestimmten Grad an Allgemeinbildung zu tun? Und sind somit Menschen, die Abseits der Zivilisation im Nirgendwo leben und kaum etwas vom Weltgeschehen mitbekommen, darum weniger befähigt, Reife zu erlangen?

Auf www.psychology48.com findet sich diese Definition von Reife:

„Reife bezeichnet […] drei verschiedene Lebensstufen des Menschen. Die Geschlechtsreife (Pubertät) ist in unserer gegenwärtigen Kulturwelt zwischen 13 und 16 Jahren erreicht. Sie bedeutet aber noch nicht die soziale Reife, die erst nach der Adoleszenz zwischen dem 20. und 25. Jahr eintritt. Wenn man jedoch von »reifen« Menschen spricht, denkt man an den Lebensabschnitt nach dem 40. Jahr. Hier ist also eine charakterliche und geistige Reife gemeint, eine Fähigkeit, trotz aller eigenen Wünsche die Realität zu erkennen und nicht mehr nach den Leidenschaften, sondern nach der Vernunft zu handeln.“

„Soziale Reife“, „charakterliche Reife“, „geistige Reife“. Auch hier wieder nur schwammige Begriffe auf, die viel offen lassen. Und Definitionen, die meiner Erfahrung widersprechen, nämlich dass Reife – ebenso wie erwachsenes Verhalten – sich (ausschließlich) an einem bestimmten Alter festmachen lassen.

Der letzte Satz, dass man als reifer (quasi erwachsener) Mensch fähig ist „trotz aller eigenen Wünsche die Realität zu erkennen und nicht mehr nach den Leidenschaften, sondern nach der Vernunft zu handeln“, bestätigt außerdem die Befürchtungen, die vor allem Jugendliche haben, wenn sie sich schwören, nie erwachsene werden zu wollen.

Hiernach träumen reife Menschen nicht mehr, sie haben ihre Naivität eingebüßt, sie haben ihren Elan und ihre Leidenschaft verloren und handeln nur noch rational. Das klingt ernüchternd und spornt einen nicht gerade dazu an, reif werden zu wollen.

Sind also Vernunft und Disziplin wirklich das treffende Synonym für Reife? Oder sind sie nur ein kleiner Teil der Qualitäten, die man als voll entwickelter Mensch, bzw. als Ideal von eben diesem, besitzen muss?

Muss ein erwachsener Mensch tatsächlich seine emotionale Seite unterdrücken, oder kann sie ihm auch von Nutzen sein?

In vielen Forumsdiskussionen tauchten bei der Definition erwachsener und reifer Eigenschaften neben Verantwortungsbewusstsein oder Selbstständigkeit auch viele emotionale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen oder Fairness auf.

Da fiel mir plötzlich der Ausdruck „Emotionale Intelligenz“ ein, der nach der Veröffentlichung des gleichnamigen Buches von Daniel Goleman (1995) in aller Munde war und neue „Tugenden“ geschaffen hat.

Goleman wandte sich mit seinem Konzept der emotionalen Intelligenz gegen die seiner Meinung nach einseitig favorisierte rationale Intelligenzform (welche in der Reifebeschreibung von www.psychology48.com ja gerade als besonders “reif“ angesehen wird.)

Ist ein erwachsener, reifer Mensch also vielleicht jemand, der eine besonders große emotionale Intelligenz besitzt?

Der Vorteil des Begriffs „Emotionale Intelligenz“ gegenüber dem der „Reife“ oder dem „Erwachsensein“ ist, dass er mehrfach definiert wurde.

Bei Goleman sind die Grundpfeiler der emotionalen Intelligenz:

Selbstbewusstheit: Sie befähigt den Menschen, die eigenen Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu verstehen. Sie beinhaltet, sich selbst kennen zu lernen, positive und negative Seiten wie auch Verhaltensmuster, um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen. Dadurch befähigt sie einen, die Wirkung der eigenen Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse auf andere beurteilen zu können.

Selbstmotivation: Sie macht den Menschen begeisterungsfähig für seine Arbeit, Berufung oder eine andere Tätigkeit, welcher er dann unabhängig von finanziellen Anreizen oder Status nachgeht. Er ist von niemand anderem „angefeuert“ als von sich selbst.

Selbststeuerung: Sie macht es möglich, bei Handlungen und der Verfolgung von Zielen, die Zeit und die eigenen Ressourcen planvoll zu verwalten. Dazu gehört auch, die eigenen Gefühle und Stimmungen durch einen inneren Dialog positiv zu beeinflussen.

Empathie: Das ist die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, ihre emotionalen Zustände und Befindlichkeiten zu verstehen, auch wenn sie anders „gestrickt“ sind als man selbst, und dadurch auch fähig zu sein, passend auf ihre Emotionen zu reagieren.

Soziale Kompetenz: Sie befähigt uns, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, sowie aktiv tragfähige und dauerhafte Beziehungen aufzubauen und mögliche Krisen zu bewältigen.

Nach den Erfindern des Begriffs der Emotionalen Intelligenz (1990), Salovey und Mayer, gibt es vier Grundpfeiler für die emotionale Intelligenz:

Wahrnehmung von Emotionen: Damit ist Fähigkeit gemeint, anhand der Mimik, Gestik, der Körperhaltung und der Stimme einer anderen Personen zu erkennen, in welcher Gemütslage sie ist.

Verwendung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens:  Hier werden Erfahrung und Wissen, das man sich über die Zusammenhänge zwischen Emotionen und Gedanken angeeignet hat, zum Problemlösen oder anderen Aufgabestellungen genutzt.

Verstehen von Emotionen: Hier geht es darum, die eigenen Emotionen zu analysieren, sie zu erkennen und auch gleich einzuschätzen, inwiefern oder warum sie veränderbar sind, z.B. wechselhaft oder nur vorübergehend. Wenn unterschiedliche Emotionen zusammenwirken, ist es wichtig, sie einzeln identifizieren zu können. Dadurch lässt sich besser verstehen, welche Konsequenzen bestimmte Emotionen nach sich ziehen können oder müssen.

Umgang mit Emotionen: Der bewusste Umgang mit Emotionen ist darauf ausgerichtet, durch die Beeinflussung der eigenen Gefühle negative und unerwünschte Zustände zu verändern und so z.B. Ziele besser zu erreichen. In hypothetischen Szenarien kann erprobt werden, welche Gefühle bestimmte Umstände auslösen, und wie man sie in positiver Weise beeinflussen kann. Unerwünschte, problematische Gefühle können dadurch besser vermieden werden.

So, das wären jetzt schonmal ein paar Stichpunkte, die wie geschaffen dazu sind, euch zu ein paar Selbstanalyse-Spielchen anzuregen. Über die Ergebnisse könnt ihr mich gern informieren 🙂

Da mir jetzt aber etwas der Kopf brummt und ich langsam das Gefühl habe, allzu theoretisch zu werden, folgt zum „Runterkommen“ eine Art Sammelsurium von Stichworten, die mir Zusammenhang mit der Beschreibung  emotionaler Intelligenz begegnet sind:

Konfliktmanagement, Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Motivationsfähigkeit, Selbstkenntnis, Menschlichkeit, Takt, Höflichkeit

Eigene Gefühle wahrnehmen, auf sie achten, ohne sich von ihnen fortreißen zu lassen. Gefühle also nicht unterdrücken und trotzdem emotionale Stabilität bewahren.

Fähig sein, Gefühle und Stimmungen zu managen, sie angemessen zu handhaben, mit ihnen umgehen zu können. (Nicht das Vorhandensein von Gefühlen, sondern erst der bewusste Umgang mit ihnen macht die emotionale Intelligenz aus)

Beziehungen gut handhaben

Konflikte konstruktiv meistern

Aktiv zuhören

Mitmenschen akzeptieren so wie sie sind, anderen Menschen ihre Persönlichkeit zugestehen

Na ja.

Das klingt ja an sich alles recht „vernünftig“. Und ich muss zugeben, dass die meisten Probleme, die mir begegnet sind, tatsächlich damit zu tun hatten, dass mit Gefühlen nicht offen, gar nicht oder zu indirket umgegangen wurde. Dazu kam meist schlechte Kommunikation, vor allem schlechte oder indirekte Kommunikation bezüglich Gefühlen. (Und so hat sich ein Anknüpfungspunkt zum gestrigen Thema gefunden!)

Es ist ganz offensichtlich einfacher, sich auf rationaler Ebene richtitg zu verstehen, als auf emotionaler Ebene, wo leichter Mißverständnisse auftauchen und man nicht so leicht klare Daten und Fakten zur Aufklärung heranziehen kann.

Es ist also wahrscheinlich gar nicht so dumm, die emotionale Intelligenz etwas zu schulen! Studien zufolge leben emotional intelligente Menschen jedenfalls zufriedener und ausgeglichener, sie haben meist ihr berufliches UND privates Glück gefunden.

Die Entwicklung emotionaler Intelligenz scheint mir darum  generell schon ein Schritt in Richtung Reife,  ebenso wie ein Verhalten gemäß der „EQ-Tugenden“ bestimmt als erwachsenes wenn nicht gar vorbildliches Verhalten durchgehen würde.

Befremdlich ist trotzdem das häufige Auftauchen des Wortes „Management“ im Zusammenhang mit dem Thema. „Gefühle managen“, „Konfliktmanagement“…

Wie würdet ihr es finden, wenn euer Freund/ eure Freundin ein klärendes Gespräch mit dem Satz „Ich finde, wir sollten mal unser Beziehungsmanagement überdenken!“ beginnt?

Auch wenn Krisen, Streit und Missverständnisse immer ziemlich scheisse sind, scheint mir ein gelegentliches menschliches Versagen besser, als emotional vollkommen zu „funktionieren“.

Wie romantisch klingt da im Vergleich zur „Emotionalen Intelligenz“ Goethes Ausdruck „Herzensbildung“…

Dass EQ-Tests teilweise bei der Auswahl von Jobbewerbern angewendet werden, überzeugt mich auch nicht. Gerade die Idee der emotionalen Intelligenz widerspricht doch dem Gedanken, auf rationale Kriterien zu setzen. Müsste ein Personalchef nicht aufgrund seines EQ fähig sein, den Bewerber ohne vorherige Datenerhebung einzuschätzen? Gerade bei einem Test kann man leichter lügen, als von Angesicht zu Angesicht.

Um einem derartigen Einstellungstest zu entgehen, werde ich mich jedenfalls nicht auf obige Stelle bewerben! Auch wenn mir das eine kleine Träne entlockt…

So. Jetzt aber. Endlich sind wir nach einem beschwerlichen aber hoffentlich ein wenig bewusstseinserweiternden Weg am Ende der Reise durch die Begriffswelten von „erwachsen“, „Reife“ „Emotionaler Intelligenz“ angelangt…

Wer immer noch nicht genug hat und mehr über seinen EQ erfahren will, kann auf der Seite der Süddeutschen einen Online-Test machen.

http://spiele.sueddeutsche.de/eqtest/

(Leider versagte die Seite beim Ergebnis darüber, ob ich introvertiert oder extrovertiert bin. Schade, so wird das wohl für immer ein Geheimnis bleiben…)

Es ist also wahrscheinlich gar nicht so dumm, die emotionale Intelligenz etwas zu schulen. Studien zufolge leben emotional intelligente Menschen angeblich zufriedener und ausgeglichener, sie haben  meist ihr berufliches UND privates Glück gefunden.
Werbung

Sie sind arbeitslos? Spam als Anstoß zum Hinterfragen (Teil 1)

Auch Spam kann das Bewusstsein erweitern! Spam kann witzig, absurd, bescheuert und verblüffend sein!
Heute kommt dazu der erste Teil. Er befasst sich nur mit dem Betreff einer wundervollen Mail, die ich gestern Abend bekommen habe!

Der Betreff lautet:
„Sie sind arbeitslos?“

Ein schöner Titel, der viel Interpretationsspielraum lässt:

Statt der Formulierung „Sind Sie arbeitslos?“ kommt diese in eine Frage umgewandelte Aussage „Sie sind arbeitslos?“ gleich ein wenig wie eine Unterstellung rüber.
Während „Sind Sie arbeitslos?“ eine sachliche Frage ist, fragt man sich bei „Sie sind arbeitslos?“ auch, was zwischen den Zeilen gemeint ist. Steckt ein Vorwurf dahinter? Ablehnung, Abwertung oder vielleicht nur Ungläubigkeit?

Sie sind arbeitslos? Na dann kriegen Sie doch endlich mal den Arsch hoch!
Sie sind arbeitslos? Betroffenes Schweigen. Ähm, ist ja nicht so schlimm… Themawechsel.
Sie sind arbeitslos? Aha. Können Sie das nachweisen? Sonst müssen sie voll bezahlen.
Sie sind arbeitslos? Was? Bei Ihren Qualifikationen?

Da arbeitslos zu sein in unserer Gesellschaft negativ besetzt ist, werden sich die meisten Betroffenen durch diese Art der Frage wahrscheinlich provoziert oder herabgesetzt fühlen, bzw. ein schlechtes Gewissen bekommen.
Ob Sie darum die Mail eher lesen, auch wenn sie ahnen, dass es sich nur um Spam handelt?
Ist die Wirkung der Frage dafür manipulativ genug?
Wer weiß?

Den psychologischen Effekt, den die Umformulierung einer Aussage in eine Frage produziert, finde ich jedenfalls interessant.

Was passiert, wenn man beide Möglichkeiten, Fragen zu formulieren, gegenüberstellt?

Sind Sie erfolgreich?              oder                    Sie sind erfolgreich?
Sind Sie schön?                                                   Sie sind schön?
Sind Sie impotent?                                             Sie sind impotent?
Kennen sie sich aus?                                          Sie kennen sich aus?
Sind Sie erwachsen?                                          Sie sind erwachsen?

Für mich beinhaltet die klassische Frage eine gewisse „Unschuld“, da sie wirklich auf das inhaltliche abzielt und tatsächlich nur eine sachliche, bejahende oder verneinende Antwort verlangt.

Bei der anderen Art der Formulierung fragt man sich stattdessen, worauf der Frager wirklich hinaus will, was er mit der Frage insgeheim bezweckt oder vermitteln will.
Will er uns mitteilen, was er über uns denkt, will er uns dazu bringen, etwas Bestimmtes zu tun oder zeigt er uns damit seine Ungläubigkeit/ Skepsis?
Der sachliche Inhalt tritt damit in den Hintergrund.

„Du machst die Soße mit Sahne?“
„Wenn’s dir nicht passt, koch doch selber!“

Womit wir beim klassischen Problem, Senden ≠ Empfangen gelandet wären…

Natürlich ist das letztendlich nichts Neues. Aber wer hätte gedacht, dass außgerechnet nutzloser Spam wichtige Fragen zur menschlichen Kommunikation ins Bewusstsein rufen kann?

Vielleicht mag der eine oder andere unter euch ja, angeregt von diesen Text, heute an sich selbst erforschen, wann oder wie häufig er eigene Botschaften, Bedürfnisse, Wünsche, Appelle, etc. nicht klar und deutlich als Sachaussage formuliert, sondern indirekt, z.B. zwischen den Zeilen. Um im Anschluss zu beobachten, wie viele von den indirekten Botschaften auch „richtig“ ankommen (was natürlich manchmal schwer zu überprüfen ist).

Na ja. Manchmal versteht man sich besser, wenn man sich missversteht…

Morgen geht es dann weiter mit dem interessanten Stellenangebot, das zu dem Betreff „Sie sind arbeitslos?“ gehört!

Platzgeiz

Vor ein paar Tagen war ich mit einer Freundin im Urlaub. Zu einem schönen Urlaub gehört, hin und wieder Essen zu gehen. So betraten wir ein Restaurant, schauten uns um und sichteten einen Platz, der uns gefiel.

Als wir uns gerade hingesetzt hatten, stellten wir fest, dass der Tisch reserviert war, und da kam auch schon der Kellner angelaufen. Er führte uns an einen anderen Platz und wies uns an, genau dort Platz zu nehmen.

Es war ein kleiner Tisch, an den wir gerade so hinpassten. Der Tisch stand in der Ecke von Raum teilenden, halbhohen Wänden, die das Restaurant in verschiedene Abschnitte unterteilte. Eine Holzsäule verband die halbhohen Wände mit der Decke.

Der Tisch war direkt an die Ecke geschoben, wir saßen dadurch beide mit dem Rücken zum Raum, vor uns die Säule und die halbhohen Wände, auf denen Blumentöpfe die Sicht versperrten.

Der Platz war erträglich, mehr aber auch nicht. Trotzdem haben wir uns, bereits gewöhnt an diese seltsame Art von Fremdbestimmung, einfach hingesetzt und keinen anderen Platz verlangt. Aber das Ganze verstimmte mich. Der Platz gefiel mir nicht, und ich fühlte mich ein wenig unhöflich behandelt, da ich wegen ausreichend leeren, größeren Tischen keinen Anlass für einen derartigen „Platzgeiz“ sah.

Generell mag ich es nicht, zu zweit an kleinen 2-Personen-Tischen zu sitzen, denn die 2-er Tische sind meistens so klein, dass wirklich nur 2 Teller drauf passen. Sie sind noch dazu in der Regel in die ungemütlichsten Ecken oder in Durchgänge gequetscht, manchmal auch in den Zugang zur Toilette, weil sie da gerade noch reinpassen. Nicht selten sitzt man mit dem Rücken zum Raum, zur Tür oder im Durchzug und hat so gut wie nie einen schönen Blick.

Es fördert mein Wohlbefinden, neben mir einen weiteren, leeren Stuhl stehen zu sehen, als Sinnbild für Leere, unbesetzten Raum und ein wenig Luft zum Atmen. Das Fehlen davon kann hingegen ein unbestimmtes Gefühl von Ungeschütztheit auslösen.

Das passiert allerdings nicht, wenn ich zu dritt oder zu viert an einem Tisch sitze. Da finde ich leere Stühle überflüssig. Aber das liegt vielleicht daran, dass es in den seltensten Fällen überhaupt 3-er Tische gibt, und 4-er Tische schon familientauglich sein müssen, weshalb sie großzügiger bemessen sind.

Nicht großzügig finde ich es jedenfalls, wenn mir in einem Restaurant ohne ersichtlichen Grund vorgeschrieben wird, wo ich zu sitzen habe. Gerade zum Essen möchte ich mich an einem Ort niederlassen, an dem ich mich wohl fühle und mich gehen lassen kann, z.B. an dem Tisch, für den ich mich instinktiv als erstes entscheide.

Natürlich ist es wichtig, dass auch die anderen Gäste genug Platz haben, auch jene, die erst noch kommen werden oder reserviert haben. Aber warum Platzanweisungen, wenn noch mehrere Tische frei sind und es unwahrscheinlich ist, dass plötzlich 20 Menschen das Lokal stürmen?

Gastfreundlichkeit zeigt sich für mich darum auch darin, dass man sich seinen Platz selbst aussuchen darf.  Zuviel Effektivitätsdenken (meist ohne Effekt, da sowieso nicht genug Gäste kommen) und Platzgeiz kann einem nämlich den Appetit verderben.

Fazit: Ich werde mich nicht noch mal von einem Kellner drängen lassen, an einem ungemütlichen Tisch Platz zu nehmen!

Verdammt frei

Heute entschied ich mich, endlich einmal eine richtige Struktur in mein Leben zu bringen!
Struktur in einen Alltag, den ich in absoluter Freiheit gestalten kann.
Dazu kommt ein Blog wie gerufen. In regelmäßigen Abständen teilt man der Welt etwas über sein Leben, seine Interessen oder seine Gedanken mit. Wenn das nicht schon Mal ein roter Faden ist…

Freiheit ist etwas Wundervolles, aber man muss mit ihr umgehen können.
Freiheit kann einen in einer Krise stürzen, wenn man sich auf einen Schlag seiner Disziplinlosigkeit und Motivationsschwäche bewusst wird…
Verdammt…

« L’homme est condamné à la liberté » (Sartre)

Schnell ereilt einen das Gefühl von vollkommener Nutzlosigkeit, vor allem, wenn man den Eindruck hat, dass Leistung und erfolgreiche Alltagsbewältigung den Mittelpunkt der menschlichen Existenz ausmachen.
Frei zu sein heißt also nicht, sich frei zu fühlen. Wenn der Freie sich nicht frei machen kann von Selbstansprüchen und äußeren Lebensmodellen, die zu sehr verinnerlicht wurden, führt die Freiheit schnell zu einer vollständigen Selbsterlahmung, ausgelöst durch die Resignation, nichts Sinnvolles mit sich anfangen zu können.

Aber damit ist jetzt Schluss. Dank der Erfindung des Bloggens werde ich Struktur in meinen Alltag bringen, zumindest für eine halbe Stunde am Tag. (Das ist zumindest mein Vorsatz.)

Für eine halbe Stunde entrinne ich damit der Verdammung, den Sinn meines Lebens, meines Handelns und Tun zu definieren. Meine Existenz gewinnt durch den Vorgang des Bloggens plötzlich eine ungekannte Essenz, und die tiefe Sinnhaftigkeit, die sich darin verbirgt, nimmt mir die Zweifel, die mich sonst dazu bringen, mich und meine Handlungen kritisch zu beobachten einem Rechtfertigungszwang zu unterstellen.

So fühlt sich die Freiheit plötzlich frisch und neu an!
So wie die Slogans „Ich bin so frei“ oder „Die Freiheit nehm’ ich mir!“ es versprechen.

Hm, Kaffeepause?